Tag8 – Weltwirtschaftskrise returns
Gefahrene km: 337
Zeit hinterm Steuer: leider nicht notiert. Wahrscheinlich irgendwas um die 7 Stunden
Sprit: …Zieh endlich die Kreditkarte durch!
Durchfahrene Länder: SP
Die heutige Geschichte starten wir mal mitten in der Nacht.
Stellt euch vor, ihr schlaft einen angenehmen Schlaf. Es ist nicht zu kalt, es ist nicht zu warm. Leichtes Meeresrauschen hinter der Hecke ist zu hören, die keine 5 Meter vom Zelt entfernt steht. Ihr träumt einen süßen Traum und ZOOOOOOSH-SH-SH-SH-SH – dort hinter der Hecke befindet sich die Haupttrasse Valencia-Barcelona.
Ihr steht senkrecht im Bett. Gerade noch träumend, jetzt mit 200 Puls und die Druckwelle des Zuges peitscht gegen euer Zelt. Jetzt realisiert ihr: Die Empfangsdame hat keinen Scherz gemacht, sie war nur äußerst freundlich mit der Wahrheit. Instinktiv freut ihr euch am Leben zu sein und nicht wie gerade noch halbschlafend angenommen direkt vor dem Zug auf den Bahngleisen liegend.
Die Wirkung des ins Blut gepumpten Adrenalins verflüchtigt sich nur langsam, ihr kommt wieder zur Ruhe. Legt euch hin und bevor ihr dem Dämmerschlaf verfallen seid, hört ihr ein näher kommendes Schnalzen durch die Oberleitungen der Bahntrasse…
Die Sonne scheint, wir stehen auf. Unsere deutschen Campingnachbarn begrüßen uns freundlich und scheinbar ausgeschlafen. Wir machen uns Kaffee. Jeder 2 große Tassen.
Es ist der letzte Tag am Mittelmeer und die Strecke heute scheint keine große Herausforderung zu werden. So beschließen wir, uns ein kurzes Bad im Meer zu gönnen. Wir unterqueren durch einen Betontunnel eine zweigleisige Bahntrasse, die uns vorher kaum aufgefallen ist und befinden uns an einem wunderschönen, fast leeren Sandstrand. Das Meer ist ruhig und Badewannenwarm.
Nachdem wir in aller Ruhe unser Zelt zusammen gepackt und uns das 2. Mal am Morgen geduscht haben, starten wir die Maschinen und machen uns auf den Weg in Richtung spanischer Wüste / Zaragoza. Wir wissen nicht, was uns hier erwarten könnte. “Wüste in Europa? Kann ja nix dolles sein.” Denkt sich der ein oder andere.
Es wird erschreckend leer neben uns in der Natur. Neben ein paar Mastbetrieben, die man kilometerweit riechen kann, herrscht gähnende Leere. Die ausgewaschenen, sandigen Felsformationen mit Tafelbergen, die uns an die Filmkulisse von Planet der Affen erinnern, hätten wir hier so nie erwartet. Wir durchfahren die Sierra de Alcubierre in Richtung Plana de la Negra. Kleine, vertrocknete Grasballen wachsen neben der Straße und weit und breit ist kein Ort zu sehen. Über Funk werden wir von Micha geschimpft, warum wir nicht die Strecke durch Zaragoza fahren, um wenigstens diese Stadt zu sehen. Wir bleiben ihm eine vernünftige Antwort schuldig als am späten Nachmittag neben uns eine Geisterstadt auftaucht.
Neben uns stehen etwa 10 fertig gemauerte Familienhäuser, daneben die Betongerippe von mindestens weiteren 10 Häusern. Strommasten ohne Leitungen, dafür mit riesigen Vogelnestern ziehen sich durch die kahle Landschaft. In der Ferne lässt sich ein monströses Bauwerk ausmachen, welches ausschließlich aus Betonsäulen besteht. Es hätte vermutlich ein Einkaufszentrum werden können. Wir biegen ab und wollen dem hochbeinigen Allradbulli folgen. Schon aus den Augen verloren hören wir über Funk entsetztes Staunen über die Ausmaße der Anlage, während wir mit der S-Klasse den zugewucherten Schotterweg zu bezwingen versuchen.
Nach kurzer Strecke geben wir auf, parken den Benz und der Bully kehrt zurück. Wir steigen ein bei Team HB-Männchen und machen uns auf den Weg in die hinteren Ecken dieser Planstadt-Ruinen. Vorbei an den ausgehobenen Gräben der Kanalisation und unterschiedlich großen Bodenplatten aus Beton, erreichen wir weitere Zweifamilienhäuserskelette. 4 Bis zum Dach im zweiten Stock fertig gestellt inklusive Treppen. Bei den nächsten 4 Häusern wurde nach den Säulen für das Erdgeschoss der Bau eingestellt. Danach folgen nur noch einige Bodenplatten. Am Horizont können wir weitere Betonsäulen entdecken. Außer zirpenden Grillen ist nichts zu hören. Wir vergessen Zaragoza.
Die Sonne neigt sich dem Horizont und wir bekommen einen Oskar-verdächtigen Sonnenuntergang präsentiert, während wir Füße baumelnd im 1. Stock gen Westen blicken. Wir sind völlig sprach- und einigermaßen ratlos wie diese Ruinen mitten im Nichts entstanden sein könnten. Außer der Weltwirtschaftskrise 2008 fällt uns nichts Vernünftiges ein.
In der Dunkelheit machen wir uns auf den Weg zum einzigen Zeltplatz in der Gegend und treffen dort neben Sandra auch auf einige andere Teams der Rally. Wir schlagen unser Zelt auf, machen Essen und sind noch völlig geflasht vom heutigen Tag mitten im Nichts.